Wirtschaftskreislauf Smartphone:
Wie Materialbeschaffung, Arbeitsbedingungen und Elektromüll ein faires Smartphone (fast) unmöglich machen
Im Rahmen des Methodenlabors geht es im aktuellen Projekt rund um Themen des Makings, Reparaturen sowie Nachhaltigkeit. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Wirtschaftskreislauf von Smartphones, also beispielsweise auf den Produktionsprozessen, die bei der Entstehung eines Smartphones durchlaufen werden. Dabei ist die Idee aufgekommen, mithilfe der Siedler von Catan Spielmechanik, die Abwandlung „Siedler von Coltan“ zu entwickeln. Der komplexe Wirtschaftskreislauf rund um die Materialbeschaffung, der CO2-Fußabdruck sowie die Recyclingprozesse können so niederschwellig an junge Menschen vermittelt werden.
Im folgenden Artikel wird der Wirtschaftskreislauf rund um die Rohstoffe, die für die Entstehung eines Smartphones gebraucht werden, näher erklärt. Verschiedene Problematiken um die kostbaren Materialien des Smartphones sowie deren Beschaffung werden vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit aufgeführt.
Hintergrund für diesen Beitrag:
- Im Rahmen des Methodenlabor FabLab soll der Wirtschaftskreislauf des Smartphones thematisiert werden. Das Ziel ist eine niederschwellige Darstellung Komplexer Prozesse in einer möglichst spielerischen Form. Das fertige Spiel finden Sie in einem weiteren Artikel
- Dieser Artikel dient als Einführung und Überblick in die Thematik für Fachkräfte und alle interessierten.
1. Der Alltagsgegenstand Smartphone
„Umgeben von Digitalität” ist das Stichwort der heutigen Generation. Das Streben danach, ein immer effektiveres, digitaleres sowie innovativeres Leben zu führen, ist Teil der ganz normalen Lebenswelt. Smarte Gadgets und digitale Endgeräte begleiten unseren Alltag. Allen voran das Smartphone. Spätestens jedes 3. Jahr wird das alte Gerät durch das aktuellste, hochwertigste Modell ersetzt. Gründe dafür ist die Obsoleszenz, also das Veralten des Produktes durch die begrenzte technische Haltbarkeit, der Wandel des Geschmacks und der technologischen Entwicklung. Jedoch hat der Konsum schwerwiegende Folgen sowohl für die Menschen, als auch vor allem für die Natur und das Klima. Aspekte der Materialbeschaffung, des CO2-Fußabdrucks und des Recyclings werden meist einfach komplett außen vorgelassen.
2. Die Bestandteile eines Smartphones
Insgesamt lassen sich etwa 50 bis 75 verschiedene Rohstoffe aus chemischen Elementen zählen, die für die Herstellung eines neuen Smartphones gebraucht werden. Dazu zählen unter anderen auch die fünf „Konfliktmaterialien” Kobalt, Zinn, Tantal, Wolfram und Gold. Aber auch andere wichtige Elemente, wie Kupfer, Nickel, Zink und Colton werden gebraucht. Von Konfliktmaterialien ist die Rede, weil die Ressourcengewinnung in Krisen- sowie Kriegsgebiete stattfindet, wie beispielsweise in Afrika und Südamerika.
3. Die Abbauländer der Rohstoffe
Die Konflikte in den Abbauländern sind zwar nicht nur durch die Gewinnung der Ressourcen entstanden, aber unschuldig sind sie daran auch nicht. Mit den Einnahmen finanzieren die Warlords den Bürgerkrieg im Kongo. Kämpfe um die Minen sowie die Schmuggelrouten sorgen dafür, dass die Betreiber*innen dazu gezwungen werden, Schutzgelder zu bezahlen.
Die Demokratische Republik Kongo zählt, neben China, zu einem der wichtigsten Abbauländern. Weitere Länder, die viel zu den Gewinnen der Rohstoffe beitragen, sind Peru, Chile sowie Russland.
Der mit am meisten abgebaute Rohstoff ist Kupfer, mit über 20 Millionen Tonnen. Chile, Peru und China sind für diesen Rohstoff die Lieferanten. Aber auch Rohstoffe wie Kobalt und Gold werden in mehreren tausenden Tonnen im Jahr abgebaut.
4. Die Schattenseiten des Rohstoffabbaus:
Die Rohstoffgewinnung eines Smartphones birgt viele Schattenseiten.
Beispielsweise entstehen schwerwiegende soziale Probleme durch die fehlenden arbeitsrechtlichen Standards. Immer wieder ist von katastrophalen Arbeitsbedingungen und auch Kinderarbeit die Rede. Die Gesundheit der Arbeitnehmer*innen wird gefährdet, indem giftige Stoffe verwendet werden, um die Edelmetalle von dem Gestein zu trennen. Mit einfachen, oft selbstgebauten, Werkzeuge müssen Minderjährige in Minentunneln, die dazu meist noch selbstgegraben sind, die Rohstoffe abbauen. Vor allem im Kongo bauen Kinder und Jugendliche Kobalt ab, wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty in einem Bericht schreibt. Kobalt wird verwendet, um die Lithium-Ionen-Akkus der Smartphones herzustellen.
Für den Abbau der wertvollen und schnell schwindenden Rohstoffe, werden Urwälder abgeholzt. Große Tagebaue zerstören die Umwelt, die Lebensräume der Tiere sowie die Lebensgrundlage der umliegenden Anwohner*innen und Bauer*innen. Die Umweltverschmutzung hat zudem schwerwiegende langfristige Folgen für unser Klima.
4.1 Treibhauspotentiale beim Smartphone
Ein weiterer Nachteil im Sinne des Klimas sind die Treibhauspotentiale, die sowohl bei der Produktion, als auch bei der Nutzung des Smartphones entstehen. Eine Studie von 2016 hat den CO2-Ausstoß eines Sony Z5 über 3 Jahre, also die durchschnittliche Lebensdauer eines Smartphones, berechnet. Verwendet wurden die Daten für die Materialien, die Produktion sowie die Nutzung. Von insgesamt 57 kg des CO2-Austoßes, gehen allein fast 48 kg CO2 für die Produktion drauf. Danach kommt die Nutzung mit 7,2 kg CO2-Austoß.
Die Datennutzung wurde nicht miteinberechnet. Jedoch wird indirekt viel Strom durch Serverräume und die Mobilfunkinfrastruktur gebraucht.
Eine Metaanalyse von 2018 der Non-Profit-Organisation „The Shift Project“ hat ergeben, dass 3,7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf den hohen Stromverbrauch durch die Digitalisierung zurückzuschreiben sind. Das sind mehr als 1 Prozent des CO2- Ausstoßes des internationalen Flugverkehrs.
4.2 Lieferketten und ihre Intransparenz
Bis ein Smartphone bei den Verbraucher*innen ankommt, hat es bereits einen langen Weg mit einer komplexen Lieferkette durchlaufen. Selbst Hersteller*innen von Fair Trade Smartphones können nicht zu 100 Prozent garantieren, dass keine Konfliktmetalle verbaut sind. Fast 300 Zuliefer*innen werden für die Produktion eines Smartphones gebraucht, manche Bauteile können nicht komplett transparent nachverfolgt werden, vor allem, wenn Bestandteile aus Ländern kommen, in denen es keine strengen Auflagen gibt.
Zusätzlich wurde herausgefunden, dass viele Minen nicht zertifiziert sind. Allein im Kongo sollen 90 Prozent der Minen ohne Zertifizierung arbeiten. Die gewonnenen Rohstoffe werden dann nach China geliefert und mit den Erträgen der dort ansässigen Minen untergemischt.
5. Elektroschrott
Die Schattenseiten hören im Wirtschaftskreislauf eines Smartphones jedoch nicht bei der Rohstoffgewinnung und den Lieferketten auf. Der Kauf der neuen Elektrogeräte, wie Smartphones und Computer, führt auch dazu, dass jedes Jahr bis zu 50 Millionen Tonnen Elektroschrott entstehen. Allein in Deutschland waren es 2019 fast 1 Millionen Elektrogeräte. Die riesigen Mengen an Schrott werden häufig ins außereuropäische Ausland exportiert, wie beispielsweise nach Ghana. Agbogbloshie, ein Slum in der Nähe der Hauptstadt Accra, ist einer von vielen Orten, an denen giftige Berge von Müll immer weiterwachsen. Der Elektroschrott der Mühlhalden wird von Tausenden nach Spuren von Metallen und wertvollen Rohstoffen durchsucht, die dann für sehr wenig Geld weiterverkauft werden. Grund dafür ist die steigende Nachfrage der Industriehändler, recycelbare Rohstoffe wieder einzusetzen.
Die Reste, die für den Weiterverkauf unbrauchbar sind, werden verbrannt. Der giftige Qualm führt laut der Organisation Greenpeace zu einer Schadstoffbelastung, die den gesundheitlich unbedenklichen Wert um das 50-fache überschreitet. Besonders problematisch sind die Auswirkungen der Müllhalden nicht nur für die Menschen, unter denen auch viele Kinder täglich die giftigen Stoffe einatmen, auch die Natur im Umkreis ist bereits unter der extremen Umweltbelastung komplett zerstört. An der Küste der Großstadt Accras leben aus diesem Grund keine Fische mehr.
5.1 Recyceln
Als Lösung für die Mengen an Elektroschrott gibt es die Möglichkeit des Recycelns. „Urban Mining“ nennt man die Gewinnung der Rohstoffe durch das Recyceln. Vor allem wenn man beachtet, wie viele wertvolle Rohstoffe in einem Handy stecken, klingt Recyceln nach einer einfachen Lösung für das Problem der Ausbeutung, der Umweltverschmutzung und der knappen Rohstoffe. Ganz so einfach ist es jedoch leider nicht. Wegen der hohen Kosten und der Komplexität entscheiden sich Industrieländer meist gegen das Recyceln. Elektromüll, der beispielsweise nicht im Ausland an Orten wie Accra landet, wird stattdessen als Gebrauchtware in andere Länder wie Asien und Afrika exportiert.
6. Nachhaltiger Smartphones nutzen
Zwar ist ein nachhaltigerer Umgang beim Thema Smartphones nicht ganz einfach, dennoch gibt es einige Dinge, die zu beachten sind. An erster Stelle sollte die Langlebigkeit der Geräte Priorität haben. Defekte Bauteile oder ein kaputtes Gerät sollten versucht werden zu reparieren. Mithilfe des IFixIt-Index kann man einschätzen lassen, ob sich eine Reparatur des Gerätes lohnt. Ist ein Gerät nicht mehr reparaturfähig, sollte man darauf achten, das Gerät korrekt zu entsorgen oder bei den Hersteller*innen nachfragen, ob das Gerät zurückgegeben werden kann.
Als neues Smartphone kann dann ein Second-Hand Gerät in Betracht gezogen werden. Es gibt viele Anbieter, die sich auf den Verkauf von bereits genutzten sowie generalüberholten Geräten spezialisiert haben. Eine weitere Option ist, sich ein Fair Trade Smartphone zu kaufen. Fair Trade Handy-Hersteller*innen achten darauf, ihre Lieferketten transparent darzustellen und die Nutzung von Konfliktmetallen zu vermeiden.
Weitere Informationen dazu sind beim Umweltbundesamt, in der Verbraucherzentrale und bei Umwelt-im-Unterricht.de erhältlich.
Quellenübersicht:
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. (2020). Handyproduktion – Umweltfolgen und Arbeitsbedingungen.
- Finsterbusch, S. (2022). Das Gold im SmartphoneiFixit. (2021). Smartphone Reparierbarkeits-Index – iFixit.
- Kirschke-Biller, J. (2021). Nachhaltige Elektrogeräte: Wie Smartphone & Co ökologischer werden.
- Malmodin, J., Bergmark, P. & Kimfalk, E. (2016). Life Cycle Assessment of a Smartphone. Stockholm, Schweden: ICT for Sustainability.
- Schippers, D. (2020). Kongo: Kampf um die Schätze.
- Stoller, D. (2016). Die Nutzungsdauer von Elektrogeräten sinkt und sinkt und . . ..
- Trentmann, N., Fuest, B. & Dörner, S. (2016). Seltene Erden: Diese Rohstoffe stecken in Smartphones.
- Umweltbundesamt. (2022). Elektroaltgeräte.
- VerbraucherFenster Hessen. (2020). Elektronik und Nachhaltigkeit – Wie gut passt das zusammen?
- Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. (2021). Rohstoffabbau schadet Umwelt und Menschen.
- Wikipedia. (2022). Obsoleszenz.
- Zeitler, A. (2019). Ghana: Giftiger Elektromüll.